Lymphödeme sind Flüssigkeitsstaus im Gewebe, die durch Störungen des Lymphsystems entstehen und zählen zu den schwerwiegendsten Nebenwirkungen von Tumor-Operationen. Die Beeinträchtigungen, die durch die Schwellungen entstehen, können von starken Schmerzen über Infektionen der Haut bis zum Funktionsverlust der betroffenen Gliedmaßen reichen.
Innovatives Verfahren mindert Schmerzen und verbessert Funktionserhalt sowie Lebensqualität
Die chirurgische Sanierung zerstörter Lymphgefäße ist eine herausfordernde Therapie, weil ihre Größe teilweise unter 0,7 Millimeter beträgt und sie mit herkömmlichen Verfahren nicht genäht werden können. Neue Entwicklungen in der sogenannten Supermikrochirurgie machen nun aber chirurgische Nähte im Bereich von 0,3 bis 0,8 Millimeter möglich. Dazu kommen hochleistungsfähige Mikroskope und der Einsatz von fluoreszierender Flüssigkeit sowie Fluoreszenzkameras.
Feine Instrumente und eine ruhige Hand
Vor diesem Hintergrund haben sich nun zwei Verfahren etabliert, um Lymphödeme effektiv zu behandeln: Einerseits werden jene Lymphkanäle, die noch intakt sind, mit naheliegenden Venen verbunden, in dem sie zusammengenäht werden. Damit kann die Lymphflüssigkeit, die sonst ins Gewebe gesickert wäre, über den Blutkreislauf abgeleitet werden.
Andererseits können Lymphknoten samt ihrem umliegenden Gewebe an einer unversehrten Stelle des Körpers (Leisten, Achseln, Hals) entnommen und an jene Region verpflanzt werden, an der Lymphknoten im Zuge der Tumortherapie entfernt oder zerstört werden mussten. Dort sind sie nicht nur in der Lage, Lymphflüssigkeit aufzusaugen, sie schütten auch Wachstumsfaktoren aus, die so die Neubildung von Lymphgefäßen anregen.
Dünner als ein Haar
Im AKH Wien setzt Christine Radtke, Leiterin der Klinischen Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der MedUni Wien und des AKH Wien und Expertin für Lymphchirurgie, die Verfahren erfolgreich ein, beforscht und entwickelt sie weiter. Christine Radtke: „Diese Operationen erfordert eine sehr erfahrene MikrochirurgIn, die dazu spezielle Instrumente und ein modernes, leistungsstarkes Mikroskop benötigt. Das Nahtmaterial ist dünner als ein Haar und die Nadel so fein, dass man sie mit freiem Auge gerade noch erkennen kann.“
Operation lohnt sich
Bei beiden Verfahren, die, wenn es sinnvoll ist, auch kombiniert werden können, erfolgt die Markierung der Lymphbahnen. Diese zeigt den Verlauf der Lymphbahnen an und macht Unterbrechungen sichtbar. Radtke: „Noch sind diese lymphchirurgischen Verfahren auch in der Fachwelt wenig bekannt. Aber der Eingriff lohnt sich, denn die Betroffenen beschreiben danach eine schnelle Schmerzlinderung und eine deutliche Verbesserung im Alltag.“ Um die neuen Methoden mehr PatientInnen zugänglich machen zu können, arbeiten Radtke und ihr Team intensiv daran, diese zu erweitern und führen einige Studien dazu durch.
Unterschätztes Leiden
Schätzungen zufolge leiden weltweit etwa 200 Millionen PatientInnen an Lymphödemen, in Österreich geht man von rund 30.000 Betroffenen aus. Man unterscheidet zwischen angeborenen (primären) Lymphödemen und sekundären, also jenen, die im Laufe des Lebens durch Unfälle, Erkrankungen oder Entzündungen entstehen.
Sekundäre Lymphödeme zählen zu den häufigsten und schwerwiegendsten Nebenwirkungen der chirurgischen und radioonkologischen Therapie von Brust- und Prostatakrebs aber auch von Sarkomen. Im Zuge der Behandlung werden häufig Lymphknoten und/oder –gefäße entfernt oder durch Bestrahlung oder Chemotherapie zerstört. In der Folge kann die Lymphflüssigkeit nicht mehr abtransportiert werden und staut sich im Gewebe. Weil Lymphgefäße teilweise kleiner als 0,7 Millimeter im Durchmesser sind, konnte man sie bislang chirurgisch nicht wiederherstellen.
Die klassischen Standardtherapien für Lymphödeme sind die Lymphdrainage, eine Massage, die bis zu zweimal am Tag durchgeführt werden muss, weil sie nur kurzfristige Effekte zeigt, das Tragen von Kompressionstextilien und die Fettabsaugung (Liposuktion). Alle diese Maßnahmen schränken den Alltag der Betroffenen ein, helfen nur bedingt und schließen ein Wiederauftreten des Lymphödems nicht aus.
Quelle: Med Uni Wien
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