Symbolfoto: (c) Marco Oriolesi / unsplashWie lebensbedrohlich falsche Entscheidungen und Fehlverhalten in der Politik sein können, wird uns aktuell täglich über die Medien vor Augen geführt. Politik und die Ausübung von Macht sind so alt wie die Menschheit selbst. Sie regeln das Zusammenleben. Daher ist der verantwortungsvolle Umgang mit Politik von allen Seiten, von Politikern selbst, den Medien und auch der Bevölkerung ein Gebot der Stunde. Die Sozialpsychologin Ursula Athenstaedt und der Ökonom Richard Sturn forschen über Wege, wie man die Menschen für demokratische Mitbestimmung und Mitgestaltung gewinnt.

Das soziale Umfeld prägt

„Ob Menschen politisch interessiert sind und sich aktiv einbringen, wird von vielen verschiedenen Dingen beeinflusst. Eine wichtige Rolle spielt dabei das soziale Umfeld, vor allem bei jungen Menschen“, sagt die Sozialpsychologin Ursula Athenstaedt: „Ist es in der Familie üblich, über Politik zu diskutieren? Gehen die Eltern wählen? Was machen die Gleichaltrigen in der Gruppe, der jemand angehört? Engagieren sie sich für etwas, wie zum Beispiel für den Klimaschutz? Und gehen sie dafür auch auf die Straße?“ Wer keine solche Vorbilder und Gemeinsamkeiten hat, wird nicht so einfach zu motivieren sein, die Politik und damit auch die Gesellschaft mitzugestalten.

Können finanzielle Anreize Verantwortungsbewusstsein stärken?

In der Wirtschaft versuchen Unternehmen über verschiedene Anreize, meist finanzieller Natur, den Konsum anzukurbeln. Auch als Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquote standen in Österreich Anfang des Jahres ein Bonus und eine Impflotterie im Raum. Aber sind solche „Verlockungen“ überhaupt sinnvoll, um Menschen zu einem Handeln zu bewegen, das mit Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft verbunden ist?

Bildung statt Prämie

Ursula Athenstaedt sieht finanzielle Anreize durchaus kritisch: „Mit Prämien fördert man eine Sicht, die man langfristig eigentlich nicht haben will: Ich mache etwas nur, weil ich dafür etwas bekomme. Daraus wird in den meisten Fällen kein weiterführendes Engagement.“ Wünschenswert wäre stattdessen, dass die Menschen aus einer inneren Überzeugung heraus handeln. „Prämien können intrinsische Motivation unterminieren“, ist die Sozialpsychologin überzeugt und verweist auf einen anderen Weg: „Erziehung, Bildung und Vorbilder können Werte vermitteln und Trends schaffen, die für das Zusammenleben in einer Gesellschaft und die Gestaltung der Zukunft wichtig sind.“ Fridays for Future machen deutlich, welche Kraft diese Mischung entfalten kann.
Das sieht der Wirtschaftswissenschaftler Richard Sturn grundsätzlich ähnlich. Er hat sich mit dem Thema „Nudging“ – englisch für „anstupsen“ – beschäftigt. Die Verhaltensökonomik versteht darunter eine Methode, die Entscheidungen von Menschen zu beeinflussen, ohne Verbote, Gebote oder wirtschaftliche Anreize, etwa über Rabatte, einsetzen zu müssen. Ein simples Beispiel wäre, im Supermarkt bestimmte Produkte auf Augenhöhe zu platzieren, damit die Konsument:innen eher zugreifen.

Wählen können – das demokratische “Lebenselixier”

„Bei der Frage der Wahlbeteiligung, die so wichtig ist für die Zukunft der Demokratie, halte ich Nudging im engeren Sinne auch unter ethischen Aspekten für den falschen Ansatz“, sagt Sturn. Was der Ökonom aber durchaus für sinnvoll erachtet: „kluge Entscheidungen zu fördern“. Es komme darauf an, wie eine Situation, die mehrere Verhaltensalternativen bietet, gestaltet wird.“ Sturn nennt das die „Entscheidungsarchitektur“ und erklärt: „Dazu gehört, den Zugang zur Wahl möglichst niederschwellig zu machen.“ Man könnte sie der sich verändernden Lebensrealität der Menschen besser anpassen, etwa indem Wahllokale nicht nur an einem Sonntag öffnen, wenn viele Menschen Freizeitaktivitäten nachgehen wollen. „Das alte Modell – der Urnengang nach der Kirche oder vor dem Frühschoppen – ist für einen großen Teil der Bevölkerung nicht mehr gültig.“
Überlegungen zum Online-Wählen gibt es längst. „Wichtig ist immer, darauf zu achten, dass niemand benachteiligt wird“, gibt der Forscher zu bedenken und verweist auf die digitale Kluft in der Bevölkerung: „Nicht alle Menschen können die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien gleich gut nutzen.“ Was ebenfalls zur Entscheidungsarchitektur gehöre, sei das Thema Wahlpflicht. Auch ihre Wiedereinführung könnte diskutiert werden.

Gemeinschaftsinteressen vor Eigeninteressen – Besser für uns alle

Ist es moralisch gerechtfertigt, Menschen zu beeinflussen, um ein bestimmtes Verhalten zu erreichen? Unter gewissen Voraussetzungen ja, sagt Richard Sturn und begründet: „Zum einen werden wir alle stets in irgendeiner Weise beeinflusst. Zum anderen treffen wir immer wieder Entscheidungen, die irrational beziehungsweise nicht gut für uns oder die Gemeinschaft sind.“ Auch nicht wählen zu gehen, schadet. „Daher kann es legitim oder sogar geboten sein, die Entscheidungsarchitektur so zu gestalten, dass sie klügeres Verhalten begünstigt, in unserem eigenen Interesse und zum Wohl der Gesellschaft. Bedingung ist: Sie darf niemals manipulativ sein oder gar Sonderinteressen einer Person oder Organisation bedienen.“

Kontakt:

Mag. Dagmar Eklaude
communication@uni-graz.at

(GZ)
Quelle: Universität Graz
Symbolfoto: (c) Marco Oriolesi / unsplash.com

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