life-science Karriere Services, Foto: © Faris Mohammed_unsplashEin Team der TU Wien schaffte es wichtige Fragen über das Immunsystem zu beantworten. Mit einem Trick, der an Origami erinnert, war es möglich die teilweise widersprüchlichen Beobachtungen, welche  im Bereich der molekularen Immunologie für Verwirrung sorgten, zu erklären.

Origami mit DNA & Immunsystem

T-Zellen sind ein wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems: An ihrer Oberfläche befinden sich Rezeptoren, mit denen die T-Zellen ganz bestimmte Antigene erkennen können. Wenn auf diese Weise ein Eindringling detektiert wird, kommt es zu einer Immunantwort. Unklar war bisher, was beim Erkennen von Antigenen genau passiert: Welche Rolle spielt die Zahl der vorhandenen Antigene, und wie hängt die Reaktion der T-Zelle von deren räumlicher Anordnung ab?

Diese Effekte spielen sich im Nanometerbereich ab. Um all das zu untersuchen, braucht man winzige Werkzeuge. Daher kam an der TU Wien nun eine ungewöhnliche Methode zum Einsatz: DNA-Moleküle wurden auf ausgeklügelte Weise zusammengefaltet, ähnlich wie bei der Papierfaltkunst Origami. Auf diese Weise entsteht nicht bloß eine Doppelhelix, sondern ein rechteckiges „molekulares Floß“, das über eine Zellmembran treibt und als Werkzeug für neuartige Messungen dient.

Zitate zu T-Zellen der Forscher*innen

„T-Zellen reagieren auf Antigene, die von bestimmten Zellen an ihrer Oberfläche präsentiert werden. Um diese Interaktion zwischen den T-Zellen und den antigen-präsentierenden Zellen im Detail untersuchen zu können, ersetzen wir die antigen-präsentierende Zelle durch eine künstliche Zellmembran. So können wir die Zahl und Art der Antigene selbst festlegen“. – Prof. Eva Sevcsik (Biophysikerin am Institut für Angewandte Physik der TU Wien)

 

„Es gab einige Hinweise, dass der räumliche Abstand zwischen den Antigenen bei der T-Zell-Aktivierung eine wichtige Rolle spielt. (…) Allerdings ist es schwierig, diese Effekte genau zu untersuchen: Der Abstand zwischen den einzelnen Antigenen lässt sich nicht so einfach bestimmen.“ – Joschka Hellmeier (forschte an diesem Projekt im Rahmen seiner Dissertation)

life-science Karriere Services, Foto: © TU Wien

Mit Hilfe von “DNA-Origami” hergestelltes molekulares Floß – Visualisierung und Mikroskop –Aufnahme.

Künstliche Zellmembranen

Die Zellmembran ist keine feste Struktur, in der jedes Molekül an seinem Platz bleibt. Die Antigene in der Zellmembran können sich frei bewegen, ähnlich wie aufblasbares Plastikspielzeug, das auf der Wasseroberfläche treibt.

„Daher wollten wir eine Methode etablieren, mit der man bestimmte Abstände zwischen den Antigenen exakt einstellen kann, um dann die Reaktion der T-Zellen zu untersuchen“, erklärt Eva Sevcsik.

Origami mit DNA

Dazu bedienten sich die Forscher*innen eines Phänomens, das die Natur selbst nutzt: Die DNA, der Träger der Erbinformation in unserem Körper, besteht aus zwei genau zueinander passenden Einzelsträngen, die sich ohne äußeres Zutun zu einer DNA Doppelhelix zusammenfügen.

Diese Eigenschaft macht man sich in der DNA Nanotechnologie zunutze:

„Durch cleveres Design von Einzelsträngen, die nur abschnittsweise zueinander passen, kann man mehrere Doppelhelices miteinander verbinden und so komplizierte Strukturen herstellen. (…) Diese Technik bezeichnet man als DNA-Origami – statt Papier falten wir eben DNA-Stränge.“ – Prof. Eva Sevcsik (Biophysikerin am Institut für Angewandte Physik der TU Wien)

Auf diese Weise stellte das Forschungsteam rechteckige DNA-Flächen her, an denen man ein Antigen fixieren kann. Dieses DNA-Rechteck wird auf die künstliche Membran gesetzt, und es bewegt sich dort wie ein Floß. „Dadurch können wir aber garantieren, dass die Antigene einander nicht beliebig nahekommen“, sagt Joschka Hellmeier. „Selbst wenn zwei dieser DNA-Flöße dicht aneinanderrücken, bleibt immer noch ein Mindestabstand zwischen den Antigenen, wenn auf jedem DNA-Floß nur ein einziges Antigen fixiert ist.“

Altes Rätsel gelöst

Auf diese Weise konnte man die teilweise widersprüchlichen Beobachtungen erklären, die in den vergangenen Jahren im Bereich der molekularen Immunologie für Verwirrung sorgten: Manchmal schienen mehrere benachbarte Antigene nötig zu sein, um T-Zellen zu aktivieren, in anderen Fällen genügte ein einziges. „Mithilfe unserer DNA-Origami-Technik konnten wir die Rolle von molekularen Abständen für die T-Zellaktivierung aufklären“, sagt Eva Sevcsik.

Für natürlich vorkommende Antigene spielt der Abstand keine Rolle – sie agieren „solo“ und sind so sehr effizient in der T-Zellaktivierung. In der Forschung verwendet man allerdings statt Antigenen oft künstliche T-Zell-Aktivatoren, die besonders stark an den T-Zell-Rezeptor binden – und in diesem Fall sind mindestens zwei benachbarte Moleküle nötig, um die T-Zelle zu aktivieren. „Das ist ein wichtiges Ergebnis“, sagt Eva Sevcsik.

„Wir konnten erstmals zeigen, dass es hier zwei unterschiedliche Mechanismen gibt, das wird für künftige Studien und die Entwicklung von T-Zell-basierten Immuntherapien (von Krebserkrankungen) eine wichtige Rolle spielen.“ – Prof. Eva Sevcsik (Biophysikerin am Institut für Angewandte Physik der TU Wien)

 

Originalpublikation:
J. Hellmeier et al., DNA origami demonstrate the unique stimulatory power of single pMHCs as T cell antigens, PNAS 2021 118 (4) e2016857118; https://doi.org/10.1073/pnas.2016857118

 

Rückfragehinweis:
Prof. Eva Sevcsik
Institut für für Angewandte Physik
Technische Universität Wien
eva.sevcsik@tuwien.ac.at

(LB)
Quelle: Technische Universität Wien
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