Besonders bei seltenen Erkrankungen liegen oft nur wenige Daten und Informationen über Symptome, Verlauf, Therapien etc. vor. Daher kommt dem weltweiten Austausch von Big Data bei „Rare Diseases“ eine ganz besondere Bedeutung bei. Speziell entwickelte Ontologien, also weltweite standardisierte Terminologien für Erkrankungen, sollen in Zukunft den anonymen Datenaustausch über das Internet erleichtern.

„Dadurch soll es künftig möglich sein, noch präziser, personalisierter und schneller eine Erkrankung zu verstehen und Therapien zu entwickeln“, beschreibt Kaan Boztug den Nutzen von Big Data – Experte für seltene Erkrankungen an der MedUni Wien, dem Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases (LBI-RUD), dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, und dem St. Anna Kinderspital.

Eine Erkrankung gilt als selten, wenn diese nicht mehr als einen von 2.000 Menschen betrifft. Die Gesamtzahl der Betroffenen ist dennoch beträchtlich: rund fünf bis acht Prozent der Bevölkerung leiden an einer dieser „seltenen“ Erkrankungen, das sind mehr als 400.000 ÖsterreicherInnen.

Weltweit auf genetischer Treffersuche

„Mit Hilfe von Ontologien werden Darstellungen und Daten bestimmter Krankheiten weltweit in jeder x-beliebigen Sprache auf die gleiche Art und Weise kodiert und können so übereinandergelegt und verglichen werden“, so Boztug. Unter „Ontologien“ versteht man in der Informatik „eine standardisierte Sprache, die von Menschen und Computern gleichermaßen gesprochen wird, und sich fehlerfrei in die jeweilige „Muttersprache“ übersetzen lässt“, erklärt Christoph Bock, Leiter der Bioinformatik-Forschungsgruppe am LBI-RUD. Damit können sowohl bei Genotypen wie auch bei Phänotypen (das Erscheinungsbild, Anm.) einer Erkrankung Treffer gesucht und automatisch gefunden werden. „Wenn ich an einem Gen X in Wien arbeite und meine Ergebnisse in das System eingebe, und ein Forscher in Japan hat zu diesem Gen ebenfalls Resultate eingetragen, erhalten wir beide eine Benachrichtigung,“ beschreibt Boztug die Praxis. Ein ähnlicher Datenaustausch soll auch für Informationen über Therapie-Erfolge oder auch – Misserfolge eingerichtet werden.

Man geht heute von rund 7.000 bis 8.000 seltenen Erkrankungen aus, für die meisten gibt es bereits zahlreiche Ontologien – allerdings in unterschiedlicher Qualität. Boztug: „Das müssen wir noch präzisieren, um die Daten für eine personalisierte Therapie noch besser nutzen zu können.“ Genau hier ist man am CeRUD der MedUni Wien sowie LBI-RUD weltweit führend: Boztug selbst ist Leiter der Genetik-Arbeitsgruppe in der europäischen Gesellschaft für Immundefizienzen (ESID) und kooperiert eng mit dem entsprechenden europäischen Referenz-Netzwerk RITA. Insbesondere bei Immundefekten gebe es aber noch Aufholbedarf was die Definition von „Ontologien“ angeht, so Boztug.

Zukunftstrend Präzisionsmedizin

Präzisionsmedizin oder auch personalisierte Medizin werden zu einem der wichtigsten Trends der Medizin des 21. Jahrhunderts. Modernste Diagnostik-Methoden wie Genom-Sequenzierung oder molekulare Bildgebungsverfahren, ermöglichen die exakte Charakterisierung von krankem Gewebe oder Stoffwechsel, wodurch individuelle Behandlungsstrategien angeleitet werden können.

Um diesen Forschungsbereich weiter voranzutreiben, plant die Medizinische Universität Wien das Zentrum für Präzisionsmedizin, das ab 2022 am MedUni Campus AKH errichtet wird. Finanziert wird das Zentrum durch Sponsoren und von privaten SpenderInnen.

Quelle: Medizinische Universität Wien