life-science, PolypharmaziePolypharmazie, die gleichzeitige Einnahme verschiedener Medikamente, kann zu unerwünschten Arzneimittelwechselwirkungen führen.

Risiko steigt mit dem Alter

Mit zunehmendem Alter nehmen immer mehr Menschen regelmäßig mehrere verschiedene Medikamente ein. Das steigert allerdings das Risiko von unerwünschten Wirkungen, unter anderem durch Interaktionen der einzelnen Wirkstoffe. Elektronische Entscheidungshilfen für ÄrztInnen sind ein möglicher Lösungsansatz, aber auch PatientInnen selbst können mithelfen, betont Andreas Sönnichsen, Professor für Allgemeinmedizin der MedUni Wien.

Als PolypharmaziepatientInnen gelten Betroffene, die regelmäßig fünf oder mehr verschiedene Medikamente einnehmen. „Je älter und kränklicher wir werden, umso mehr Mittel bekommen wir für unsere Leiden verschrieben“, erklärt Andreas Sönnichsen, seit Oktober 2018 Leiter der Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin der MedUni Wien: „Mindestens ein Viertel aller Über-65-Jährigen zählt zu den Polypharmaziepatienten. Ab einem Alter von 80 Jahren ist es bereits jeder Zweite.“

97 % aller Polypharmaziepatienten mit fehlerhafter Medikation

Mit jedem zusätzlichen Medikament steigt das Risiko auf Interaktionen der Wirkstoffe untereinander und auf unerwünschte Nebenwirkungen. Eine große europäische Studie unter der Leitung von Sönnichsen zeigte auf, dass 97 Prozent aller untersuchten PolypharmaziepatientInnen (10 Medikamente/Schnitt) zumindest einen Fehler in ihrer Medikation aufweisen. „Oft sind es so genannte Verschreibungskaskaden, die dazu führen, dass ein Symptom nicht als Nebenwirkung eines Medikaments erkannt wird und gegen diese Nebenwirkung ein neues Mittel verschrieben wird“, erklärt Sönnichsen. Dieses Risiko entstehe schnell, wenn Menschen von unterschiedlichen ÄrztInnen behandelt werden und niemand den Überblick über alle verschriebenen Mittel behält.

Hausarzt und Computer decken Medikationsfehler auf

Sönnichsens einfacher Lösungsvorschlag: „Bei der HausärztIn muss die vollständige Medikation der PatientInnen zentral administriert werden. Dadurch wird es ermöglicht, dass ÄrztInnen auf Datenbanken zurückgreifen können, welche die gesamte Medikation analysieren, um mögliche Interaktionen und Verschreibungsfehler aufzudecken.“ So wurde z.B. in einem internationalen EU-Projekt unter seiner Federführung mit dem PRIMA-eDS Tool eine solche elektronische Entscheidungshilfe zur Reduktion von Polypharmazie entwickelt. Dieses Tool speist sich aus mehreren pharmakologischen Datenbanken und verknüpft diese mit individuellen PatientInnendaten (Diagnosen, Nierenwert etc.). „Der Vorteil des Computers ist, dass er in Sekunden sämtliche bekannten Interaktionen, Dosierungsfehler und individuellen Unverträglichkeiten auch bei sehr vielen gleichzeitig verabreichten Wirkstoffen ausgeben kann. Wichtig ist dabei, dass er mit allen vollständigen Daten gefüttert wird.“

Der Anteil des Patienten

Auch PatientInnen selbst können mithelfen, sinnlose und gefährliche Übermedikation zu vermeiden. „Geben Sie beim Arztbesuch ganz genau sämtliche Medikamente an, die Sie regelmäßig einnehmen, auch die rezeptfreien“, rät Sönnichsen, „Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin muss sich einen Überblick verschaffen können.“ Dabei zählt natürlich nur absolute Ehrlichkeit, damit auch wirklich alle Wirkstoffe erfasst werden.

Manchmal lässt sich die aktuelle Rezeptliste hinterfragen. Braucht es dieses vorbeugende Schmerzmittel wirklich noch? Ist ein Cholesterinsenker im hohen Alter noch sinnvoll? Auch bestimmte Osteoporose-Medikamente sollten zum Beispiel nicht länger als vier Jahre genommen werden, weil sie dann ihre Wirkung verfehlen. Der Vorteil eines regelmäßigen Rezepte-Checks liegt für Sönnichsen auf der Hand: „Je weniger Medikamente ich nehme, umso geringer sind die möglichen Nebenwirkungen, und das steigert die Lebensqualität und spart Geld.“

Quelle: Medizinische Universität Wien
(GZ)