Universitäre Pilotfabriken sind das Bindeglied zwischen Forschung und industrieller Anwendung. Sie wurden als Innovations-, Demonstrations- und Lernfabriken ins Leben gerufen, um den Transfer von modernsten Technologien in die Unternehmen zu fördern. Österreichs universitäre Pilotfabriken vernetzen sich und bieten österreichischen Unternehmen mit AMIDS – dem Austrian Manufacturing Innovation Data Space – ein neues Service zur Perfektionierung ihres Digitalisierungs-Know-hows. Die Kick-off Veranstaltung fand am 22.3. an der TU Wien statt.
Wirtschaft und Wissenschaft auf Datenbasis vernetzt
Die drei österreichischen Pilotfabriken „TU Wien Pilotfabrik Industrie 4.0“, „smartfactory@tugraz“ und „LIT Factory (JKU Linz)“ haben sich nun im Rahmen einer vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) finanzierten Initiative vernetzt (Abwicklung: FFG), um gemeinsam den Produktionsdatenraum der Zukunft zu gestalten. Im Verbund mit 29 Partner_innen aus Industrie und Forschung wird in den kommenden fünf Jahren ein österreichischer Datenraum als Teil der europäischen Gaia-X-Initiative entwickelt und erforscht. In diesem Zeitraum werden zwei Use-Cases die Anwendung und den unmittelbaren Nutzen für österreichische Unternehmen demonstrieren. Claudia Schickling, Leiterin der TU Wien Pilotfabrik Industrie 4.0, koordiniert das Vernetzungsprojekt.
Sicherer Datenaustausch
Gaia-X, ist ein De-facto-Standard, der die europäischen Datenschutzanforderungen sowie die Anforderungen an Transparenz und Kompatibilität vereinheitlicht. Im Zuge dessen werden Werkzeuge und Infrastrukturen geschaffen, die einen sicheren europäischen Datenraum garantieren und damit den sicheren Austausch von Daten.
Mithilfe des Vereins AMIDS wird österreichischen Unternehmen eine niederschwellige Möglichkeit geboten, den Gaia-X-Datenraum für ihre konkreten Produktionsprozesse zu testen und zu evaluieren. Ein zentraler Aspekt hierbei ist der Aufbau eines Innovationsnetzwerks für produzierende Unternehmen, denen nun insgesamt sechs Lernfabriken (neben den drei Pilotfabriken, die Digital Factory Vorarlberg GmbH, die FH JOANNEUM Kapfenberg und die FH Technikum Wien) mit modernster IKT Infrastruktur und umfassender Expertise im Bereich Digitalisierung und Produktion zur Verfügung stehen.
Datenräume für die Produktion von morgen
Die Teilnahme an Datenräumen ist die Grundlage für die Geschäftsprozesse und die Produktion von morgen. Daten und die daraus abgeleiteten Unternehmensentscheidungen sind schon heute bestimmend für den wirtschaftlichen Erfolg: Kundenbedürfnisse, arktbedingungen, Lieferketten, internationale Krisen und andere Faktoren haben Einfluss auf die Produktion. In Zukunft wird den Datenräumen aber eine noch viel größere Bedeutung zukommen. AMIDS führt die österreichischen Unternehmen in die Zukunft und stimuliert deren Innovationskraft.
Sicherer, standardisierter Datenraum
Johannes Fröhlich, Vizerektor Forschung und Innovation der TU Wien, sieht die TU Wien als größte österreichische technische Universität in der Verantwortung, die Produktion der Zukunft zum volkswirtschaftlichen Nutzen Österreichs zu gestalten. Der Pilotfabrik komme bei der Kooperation zwischen TU Wien und Wirtschaft eine zentrale Rolle zu: „Digitalisierung bedeutet vor allem die Generierung und Verarbeitung von Daten. Der wirtschaftliche Erfolg ist eng damit gekoppelt, umfassende Daten über die Produktion und die Prozesse rechtzeitig und aktuell am richtigen Ort zur Verfügung zu haben und vor allem auch in der Lage zu sein, aus den Daten die richtigen Entscheidungen ableiten zu können. Die Verfügbarkeit von Daten in verteilten Firmennetzen stellt für Unternehmen eine Herausforderung dar. Vor allem der Aspekt der Sicherheit lässt heute noch viele Unternehmen vor einer weiterführenden Digitalisierung und Vernetzung zurückschrecken. Die TU Wien wird hier mit ihren 28 Partnern aus Forschung und Industrie in den kommenden Jahren einen sicheren, standardisierten Datenraum schaffen.“
Foto: v.l.n.r.: Rudolf Pichler, Leiter smartfactory@tugraz, TU Graz; Alberta Bonanni, Vizerektorin für Forschung, Gender und Diversity, JKU Linz; Jens Schneider, TU Darmstadt, designierter Rektor TU Wien; Johannes Fröhlich, Vizerektor Forschung und Innovation, TU Wien; Horst Bischof, Vizerektor für Forschung, TU Graz; Claudia Schickling, Leiterin TUW Pilotfabrik Industrie 4.0 und Koordinatorin des Vernetzungsprojekts AMIDS; Michael Wiesmüller, Abteilungsleiter für Schlüsseltechnologien für die industrielle Innovation im BMK; Georg Steinbichler, Leiter LIT Factory, JKU Linz (c)Matthias Heisler
Theorie – Experiment – Praxis
Jens Schneider, designierter Rektor der TU Wien und derzeit Professor für Statik an der TU Darmstadt, betont die Bedeutung von Pilotfabriken am Beispiel der von ihm mit aufgebauten energieeffizienten ETA Fabrik an der TU Darmstadt: „Pilotfabriken bieten ein inzigartiges Lehr-, Lern- und Forschungsumfeld. Vor allem an der realen Umgebung mit ihren haptischen und optischen Eindrücken können komplexe Zusammenhänge in einer Einheit von Theorie und Experiment erforscht, begriffen und weiterentwickelt werden. Die ETA-Fabrik an der TU Darmstadt zeigt das anhand der Energieeffizienz in der Produktion. Dieses abstrakte Thema konnte erst mit der Pilotfabrik auf eine anschauliche Ebene gehoben werden. Die Pilotfabrik ist nun ein wesentlicher Motor der Energieforschung und für Innovationen sowie eine Keimzelle von Startups in einem realen industriellen Umfeld.“
Vernetzung für Souveränität
Michael Wiesmüller, Abteilungsleiter für Schlüsseltechnologien für die industrielle Innovation im BMK, weist darauf hin, dass die Vernetzung der Pilotfabriken die Souveränität Europas in Bezug auf Technologie stärkt: „Die Projekte PilotLin-X und ResearchLin-X zur Vernetzung der Pilotfabriken stellen einen wichtigen Baustein für die Integration entlang von Wertschöpfungsketten dar. Innovationen und greifbare Use-Cases, die im Projekt erarbeitet werden, können wesentlich für die Umsetzung europäischer Lösungen und zur Wahrung einer technologischen Souveränität sein.“
Niederschwelliger Zugang zum Datenraum
Claudia Schickling, Koordinatorin des Vernetzungsprojektes der Pilotfabriken und Leiterin der TU Wien Pilotfabrik Industrie 4.0, skizziert das Vorhaben der kommenden drei Jahre. „Gemeinsam mit der Industrie werden wir an Use-Cases für den Datenraum forschen. Die Ergebnisse fließen unmittelbar in den neu gegründeten Verein AMIDS ein, der österreichischen Unternehmen eine Plattform für Innovationen an Produkten und Prozessen bietet. Über AMIDS wird durch Begleitung und Unterstützung von Expert_innen ein niederschwelliger Zugang zum Gaia-X Datenraum ermöglicht, in dem Unternehmen ihre jeweiligen Anwendungsfälle im Rahmen der Produktion testen können. Wir laden alle Unternehmen ein, den Verein AMIDS zu nützen, um die Digitalisierung in ihren Unternehmen voranzutreiben.“
Optimierte Wertschöpfungskette durch kontextualisierte Information
Ruth Markut-Kohl, Teamleiterin bei der ENGEL AUSTRIA GmbH, hebt die Chancen hervor, die sich durch den digitalen Zusammenschluss der Pilotfabriken unter Einbindung der Industrie zum Austrian Manufacturing Innovation Data Space ergeben: „Innovationen im Bereich der Digitalisierung müssen meist erst beweisen, dass sie ein Problem lösen. Dies kann nur durch Schaffung von Mehrwert beim Kunden gelingen.“ Industrielle Forschung in vernetzten Pilotfabriken stellt für Markut-Kohl daher die Basis für Digitalisierung in der Spritzgießindustrie dar: „Durch die Verfügbarkeit von Daten und kontextualisierten Informationen kann die Wertschöpfungskette optimiert und damit auch der Energieverbrauch und der Product Carbon Footprint (PCF) minimiert werden.“
Kontakt und Rückfragehinweis:
Dipl.-Chem. Dr.in Claudia Schickling
Leiterin Pilotfabrik Industrie 4.0
Technische Universität Wien
+43 664 60588 7041
claudia.schickling@tuwien.ac.at
https://www.pilotfabrik.at
(GZ)
Quelle: TU-Wien
Foto: (C) Matthias Heisler
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