Veränderungen in der körperlichen Aktivitäten, im Schlaf-Wach-Rhythmus und in der digitalen Kommunikation sind typische Frühwarnzeichen der bipolaren Erkrankung, werden jedoch oft zu spät entdeckt. Nun wird untersucht, ob die BiP-APP als innovative, technologische und zeitgerechte Unterstützung in der Früherkennung der Erkrankung genutzt werden.

Eingereicht von: Dr.med.univ. Frederike Fellendorf
Firma/Universität: Medizinische Universität Graz – Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin
Homepage: www.medunigraz.at
Kooperationspartner: Meemo-tec OG

Die Bipolare Erkrankung (Manisch-depressive Erkrankung) ist geprägt von krankhaften Stimmungsschwankungen, wobei die Erkrankung individuell sehr unterschiedlich verläuft. Über Zeitpunkt, Verlauf und Schwere der nächsten Episode lassen sich derzeit keine Aussagen treffen. Es zeigt sich jedoch, dass es sich positiv auf eine Episode auswirkt, wenn sie möglichst früh erkannt und aus einer Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Therapie behandelt wird. Frühwarnsymptome äußern sich häufig in einer Veränderung des Aktivitätsverhaltens und Schlaf-Wach-Rhythmus. Betroffene erkennen den Beginn einer Episode selber allerdings häufig zu spät, um dem Ausbruch einer neuen Phase adäquat entgegenwirken zu können.

In der Spezialambulanz und Forschungseinheit für bipolar affektive Erkrankungen der Medizinischen Universität Graz werden derzeit Studien zum Langzeitverlauf der bipolaren Störung durchgeführt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Erfassen von körperlicher Bewegung und der Entwicklung von metabolischen Erkrankungen, die bei bipolarer Störung überproportional häufig auftreten und den psychischen Krankheitsverlauf sowie somatischen Zustand deutlich verschlechtern. Bislang kann das Bewegungsverhalten der Betroffenen allerdings nur durch eine Befragung bzw. mittels standardisierter Fragebögen retrospektiv erfasst werden, was sowohl für die Anwendbarkeit von Verlaufsstudien, als auch im klinischen Setting nur bedingt valide erscheint. Durch das aktive Auseinandersetzen von persönlichen Aktivitäts- und Bewegungsmustern wird einerseits die Motivation zu körperlicher Bewegung gefördert, andererseits könnten anhand von Veränderungen depressive oder manische Phasen frühzeitig detektiert werden.

Von dem steirischen Unternehmen meemo-tec OG wurde durch fachlich medizinische Beratung der Spezialambulanz für bipolare Erkrankungen der MedUni Graz eine Applikation (kurz: App) für Mobiltelefone entwickelt, die Aktivitäts- und Schlaf-Wach-Muster sowie digitales Kommunikationsverhalten (Sprachnachrichtenhäufigkeit, Telefonierdauer) bei Menschen mit bipolarer Erkrankung objektiv und individuell messen kann. Hierfür wird durch Licht-, und Bewegungssensoren im Handy die Schlafdauer gemessen. Beschleunigungssensoren und GPS Datenerfassung ermöglichen eine Berechnung der körperlichen Aktivität. Zudem wird intermittierend die aktuelle Stimmungslage abgefragt.

In der seit wenigen Monaten begonnenen Studie werden 24 PatientInnen mit einer bipolaren Erkrankung sowie 24 gesunde Kontrollen eingeschlossen. Über einen Zeitraum von 6 Monaten nutzen die StudienteilnehmerInnen die App. An vier Zeitpunkten finden klinisch psychiatrische Visiten mit speziell validierter Fragebogenuntersuchung statt. Des Weiteren werden die Appdaten mit einem standardisierten Fitnesstracker verglichen.

Ziel des Projektes ist es einerseits die Validität im Vergleich zum klinisch psychiatrischen Interview, validierten Fragebögen und Fitnesstools, als auch die Akzeptanz bei den NutzerInnen zu überprüfen. Gleichzeitig soll erfasst werden, ob Veränderungen in Verhaltensmustern, gemessen mit der App, Frühwarnsymptome von depressiven oder manischen Phasen detektieren können.

Die App könnte dadurch als technologische, zeitgerechte Unterstützung in der Früherkennung der Erkrankung genutzt werden. Des Weiteren lassen sich individuelle und objektivierbare Daten für die Langzeitforschung der bipolaren Erkrankung gewinnen. Ein weiteres Ziel in der Zukunft wäre individuelle Feedbacks über Verhaltensmuster an die NutzerInnen darzustellen, um so das Symptombewusstsein und die Selbstwirksamkeit zu stärken.