Es ist schon absurd, dass ein einfaches Stück Stoff Massen in Aufruhr bringen kann.
… Sie würde ebenfalls lieber ein Tuch tragen, wie viele andere Frauen hier. Ein Tuch locker um die Ohren legen, sieht stilvoller aus als wie eine Wollmütze. Scheinbar ist der kalte Luftzug auch anderen unangenehm. Dieses einfache Kleidungsstück ist praktisch, überlegt sie weiter, nicht nur, wenn einem die Klimaanlage kalt um die Ohren bläst, sondern vermutlich auch, wenn man mal keine Zeit hatte, zum Friseur zu gehen.
Seite 92
Diese Stelle im Buch ist keine Respektlosigkeit gegenüber religiösen Symbolen, sondern eine Aufforderung, das Kopftuch pragmatisch sachlich zu betrachten. Sehen wir uns alte Fotos oder Filme aus Europa an. Viele Frauen trugen selbstverständlich ein Kopftuch. Grace Kelly fuhr mit einem Kopftuch mit ihrem Cabrio. Vielleicht war das Kopftuch ursprünglich, – damit meine ich vor ein paar hundert Jahren, ein praktischer Kälte- und Sonnenschutz sowie eine Hygienemaßnahme. Diese Notwendigkeit ist heute nicht mehr gegeben bzw. wurden andere Wege gefunden, sich gegen Kälte und Sonne zu schützen. Die Frauen haben über die Jahrzehnte von sich aus damit aufgehört, ein Kopftuch zu tragen. Eingekleidete katholische Nonnen tragen bis heute ihren typischen grauen oder schwarzen Nonnenkittel und verbergen ihr Haar unter einem Schleier.
Es ist erschreckend, dass in gewissen Ländern Frauen sterben, da sie sich weigern ein Kopftuch zu tragen. Als ob dieses Stück Stoff, irgendetwas über den Charakter einer Frau aussagen würde, irgendeinen Einfluss auf den Charakter hätte. Glaube und Religiosität bestehen hoffentlich aus mehr, als nur aus dem Tragen eines Kopftuches. So wie das Vermeiden des Schweinefleisches gesundheitliche Gründe gehabt haben kann, kann auch das Tragen des Kopftuches irgendwann sehr sinnvoll gewesen sein. Vielleicht war es so zweckdienlich, dass es zu einer Selbstverständlichkeit und später zu einer religiösen Vorschrift wurde, die aber schon lange nicht mehr hinterfragt wurde.